Wie die Uerte Dallenwil entstand

Vom ersten Wirtschaftsverbund in Dallenwil bis zum Kompetenzzentrum Wald mit eigenem Fernwärmeverbund - die Geschichte der Uerte Dallenwil hat einiges zu bieten.

Die Geschichte der Uertekorporation Dallenwil 

Die Ansiedlung der Bewohner in Dallenwil stiess auf grosse Hindernisse. Auf der Talsole floss das Aawasser zwischen Sandbänken und Erlenwäldchen, und überflutete von Zeit zu Zeit das gesamte Talgebiet. Links und Rechts davon erstreckten sich steile Wälder. Auch der Steinibach suchte sich seinen Weg durch die steilen Geröllhalden und Erlenwälder. Erste Aufzeichnungen über das Leben in Dallenwil zeigen, dass bis zur Jahrhundertwende die Bewohner von Dallenwil Selbstversorger waren.

Die ersten Ansiedler bewirtschafteten die schöner gelegenen Partien und Matten auf der rechten Talseite gegen Wiesenberg. Das unfruchtbare Randgebiet an den Hängen und auf der Talsole war Allgemeingut, und bildete später den Grundbesitz der Uertekorporation. Von diesem herrenlosen Lande konnte jeder nehmen, was er brauchte.

Die Entstehung der Uertekorporation

Die Uerte ist ein Wirtschaftsverbund der aus den verschiedenen Einflüssen und Schwierigkeiten bei der Besiedlung von Dallenwil gewachsen ist. Das genaue Gründungsjahr der Uertekorporation Dallenwil ist ungewiss. Die älteste Erwähnung geht auf das Jahr 1408 zurück. Wie alt die Uerte wirklich ist, kann leider nicht mehr eruiert werden. 

Organisation der Uerte

Oberstes Organ der Uerte war die Uertegemeindeversammlung. Leitendes Organ war der Uertevogt, dessen Name bis zum heutigen Datum erhalten blieb. Ihm unterstellt waren verschiedene Vögte, so gab es zum Beispiel den Bachvogt, den Aawasservogt, den Eggwald-Riedvogt den Kapellvogt und den Schulvogt. Oberste Aufgabe der Uertebehörde war es, die Uertegüter zu schützen.

Die Uertebürger mussten ihren Beitrag in Form von Frondiensten erbringen. Ein Bürger leistete pro Jahr 12 bis 17 Frondiensttage. Dabei wurden Arbeiten zur Wuhrsicherung von Steinibach und Aawasser, aber auch Waldpflege und Wegunterhalt erledigt.

Die Uerte als Gesetzgeber

Als die Bevölkerung wuchs, brauchte es Regeln zur Nutzung des Landes. Gemeinsame Aufgaben riefen nach gemeinsamen Lösungen. Aufgaben wie Bäche unterhalten, Wege anlegen und Grenzen ziehen, mussten gemeinsam angegangen werden. Auch mussten Vereinbarungen und Regeln zur Nutzung des herrenlosen Landes geschaffen werden. Dazu wurden Gesetze eingeführt und fehlbare bestraft. Zu diesem Zeitpunkt, ca. 1350, gab es keinerlei andere Körperschaften.

So entstand die Uerte als Gesetzgeber und Überwacher. Zuerst gab es nur mündliche Vereinbarungen. Niemand konnte zu dieser Zeit schreiben. Später wurden die Bestimmungen schriftlich niedergelegt. So zum Beispiel 1408 / 1436 und 1460.

Das erste bekannte Uertegesetz datiert auf das Jahr 1493, als sich die Wiesenberger Uerte und die Dallenwiler Uerte zusammenschlossen. Das damalige Verhältnis zwischen den Wiesenbergern und den Dallenwiler war so locker das dieser zusammenschluss keinen Widerspruch fand. Wir
waren also schon vor 510 Jahren sehr kooperativ und fortschrittlich. In diesem Gesetz war der Verkauf von Grundbesitz der Uerte verboten, dies aus Angst, die adlige Herrschaft und die Klöster könnten das Land erwerben und das einfache Fussvolk würde zur Knechtschaft gezwungen. Aus diesen vergangenen Jahrhunderten sind sehr viele Gerichtsfälle bekannt. Darin ging es vor allem um Holz- und Wegrechte, aber auch um unerlaubte Benützung von Wald, Allmend- und Eggwaldparzellen.

Nach der vollen Ausbildung der Uerte als selbständige Institution, wurde Dallenwil zu einem eigenen Gemeinwesen und damit zu einem Glied des Landes Unterwalden nid dem Wald. Die Landleute stimmten an der Landsgemeinde über die sozialen und politischen Belange des Kantons ab. Der Landrat entstand aus den Vertretern der 11 politischen Uerten. Dallenwil hatte 4 Sitze. Auch die Gerichte wurden von den Uerten bestellt. Dallenwil hatte 1 Sitz.

Uertner und Nicht Uertener

Ursprünglich war die Nutzung der Güter rund um die Besitzungen allen Bewohnern zugänglich. Doch bei der Zunahme der Bevölkerung fühlten sich einige Leute durch Zuzüger in ihren Rechten eingeengt. Die Uertegemeinde entschied, dass in Zukunft nur noch Geschlechter, die bereits eine bestimmte Zeitdauer in Dallenwil gewohnt hatten, das Nutzungsrecht besitzen. Wann dies geschah ist nicht bekannt. Von da an gab es Uertner und nicht Uertner. Leute die aus anderen Uertegemeinden des Kantons in Dallenwil Wohnsitz nahmen nannte man Beisassen. Noch weniger Recht hatten die Hintersassen, diese stammten aus anderen Kantonen, diese hatten aber die Möglichkeit sich einzukaufen. Von dieser Möglichkeit des Einkaufs haben verschiedene Zuzüger die heute noch die Uertegeschlechter von Dallenwil bezeichnen gebrauch gemacht;

1433 Christen
1500 Niederberger
1500 Wagner
1644 Durrer
1684 Peter

Zusammen mit den 'einheimischen' Familien Joller und den Odermatt sind das die heute noch geltenden
sieben Uertegeschlechter.

Gründung der Kaplanei

1473 wurde die erste Kapelle erbaut und in den Grundbesitz der Uerte übertragen.
1576 liessen die Uertner zu Ehren der ungeteilten Dreifaltigkeit eine Holztafel schnitzen, malen und vergolden. Die Uertegemeinde beschloss dann alljährlich eine Stiftsmesse zu halten. Somit wurden die Heiligen Messen in Dallenwil eingeführt. Einen Teil dieser Tafel befindet sich im historischen Museum in Basel. Als ersten Schritt zur Einrichtung einer eigenen Pfarrei erbaute die Uerte im Jahre 1685 ein Pfrundhaus, eine Kaplanei. Die Uerte war durch den Stiftungsbrief gehalten Ihre Beiträge zum Unterhalt des Kaplans beizutragen. Sie musste das Pfrundhaus mit einem kleinen Gärtchen dem Seelsorger überlassen, jährlich einen Ruben Ankenstock spenden ( 8 kg ) und Ihm das Recht einräumen auf der Allmend unentgeltlich 1 Kuh weiden zu lassen.

Die Neue Verfassung 1848

Im Jahre 1848 erfuhr die Uerte einen tiefgreifenden Wandel. Durch die neue Bundesverfassung wurde sie aller bisherigen Rechte und Pflichten der Verwaltung und Gesetzgebung enthoben. Erstmals wurden politische Gemeinden geschaffen, die die bisherigen Verwaltungsaufgaben der Uerte übernommen haben. Die sogenannten Beisassen wurden den Uertnern gleichgestellt. Sie erhielten jedoch keinen Anteil am Besitz der Uertebürger. Von da an war die Uerte nicht mehr Staatsorgan, sondern eine privatrechtliche Genossenschaft. Wegen der Gemeinde umfassenden Grösse, hatte die Uerte aber noch lange ein bedeutendes Wort mitzureden. Auch verlief der Vollzug der Aenderung nur sehr langsam. So wurde das Schulhaus mit Umgelände erst 1904 zum Preise von Fr. 6'000.-- an die Schulgemeinde verkauft. Das Sigristenhaus mit Anteil Holzhütte erwarb die Kirchgemeinde sogar erst am 21. August 1906.

 

 

Die Geschichte der Nidwaldner Korporationen

Frühzeit, bis 1000
Wenige Bauern siedeln im Tal und nomadisierende Hirten ziehen in den höheren Lagen umher. Königreiche und Fürstentümer entstehen und mit ihnen das Lehensystem: Die Ländereien gehören mitsamt den darauf lebenden Menschen häufig den Königen oder Fürsten. Es gibt zwar vereinzelt Bauern, die den Boden, den sie bewirtschaften, auch selber besitzen. Aber weite Teile der Wälder und Wiesen sind noch nicht erschlossen und werden frei genutzt.

12. Jahrhundert
Einerseits werden auch Klöster zunehmend zu Grundbesitzern wie diejenigen in Muri (gestiftet 1027), Beromünster (1036) oder Engelberg (1120). Sie ziehen bei den Bauern die Zinsen ein.

Anderseits ist das Lehensystem vertikal organisiert: Der König oder Lehensherr befiehlt nach unten, die Bauern als unterste Stufe dieser «Befehlskette» haben wenig Rechte. Das passt nicht allen Bauern. Aus politischen Gründen sieht sich auch die Kirche zunehmend nicht mehr als Teil dieses Systems.

Die Lösung des Konflikts: 1080 bringt der Mönch Irnerius von Bologna das Recht der alten Römer zur Diskussion. Kirchliche Juristen entwickeln diese Rechtsordnung weiter, indem sie das vertikal organisierte Lehensrecht um eine horizontale Komponente erweitern. Dass sich nämlich mehrere Personen zu einer Körperschaft zusammenschliessen können und sich «horizontal», also auf gleicher Stufe, organisieren. Diese Körperschaft wird rechtlich wie eine Einzelperson gehandhabt.

Derweil wachsen einzelne Dörfer und werden zu Städten. Weil deren Einwohner selber kaum Ackerbau oder Viehzucht betreiben, wird es für die Bauern auf dem Land zunehmend attraktiv, den Städtern Nahrung zu verkaufen. Entsprechend gewinnt der Boden als Produktionsgrundlage an Wert und Interesse. Dafür wollen sich die Bauern, wie in der Gegend des heutigen Buochs, selber organisieren.

So bilden sich frühe Formen genossenschaftlicher Organisationsformen heraus: Erstmals schliessen sich Bauern zusammen und fangen an, Wälder, Wiesen, Äcker und Alpen gemeinsam zu bewirtschaften. Diese Gemeinschaften berufen sich auf das römisch-kirchliche Recht und fordern gegenüber der Obrigkeit mehr Rechte ein. Die Gründung einer solchen Gemeinschaft wird mit einem Eid beschworen.

1160 definiert das Kloster Muri als Besitzerin der Ländereien im heutigen Nidwalden mit der «Acta Murensia» erstmals eine überlieferte Alp-Ordnung und fördert damit indirekt die Entstehung von frühgenossenschaftlichen Gemeinschaften. 1180 wird Luzern zur Stadt. 

13. Jahrhundert
Nach und nach bilden sich neue Alpgenossenschaften und Korporationen heraus: Sie erwerben bei ihren Lehensherren gegen Zins das Recht, Grund und Boden eigenständig und gemeinschaftlich zu bewirtschaften. Sie organisieren sich, indem sie eigene Räte bilden und deren Mitglieder selber bestimmen. Räumlich betrachtet, entstehen solche Genossenschaften meist dort, wo von der Kirche bereits Kirchensprengel (Pfarreien) definiert wurden, die Vorläufer der heutigen Kirchgemeinden.

Bald kaufen die Korporationen Alpen und Böden von ihren Lehensherren ab und werden selber zu Grundbesitzern. Der Besitz definiert sich innerhalb der Korporation gemeinschaftlich: Alles gehört allen.

In Urkunden wird diese Gesamtheit der Leute eines jeweiligen Kirchensprengels als Universitas angesprochen. Rechtlich gesehen ist das die Grundform einer juristischen Körperschaft. Weil die Universitas in der Regel deckungsgleich ist mit den Mitgliedern von Korporationen, werden diese zur Urform der heutigen politischen Gemeinden. Ein Brief an die «S. Universitatis Hominum de Stannes» von 1260 gilt heute als Anfang des Kantons Nidwalden.

14. Jahrhundert
Die Korporationen beginnen, ihr Gemeinschaftsland klarer nach Nutzungsarten zu definieren und deren Bewirtschaftung strenger zu organisieren.

Nach und nach unterteilen sich die Gross-Korporationen Stans, Buochs und Engelbergertal in kleinere Einheiten. Warum, darüber sind sich die Historiker uneins. Die eine Theorie besagt: Weil sich die Pfarrgemeinden ebenfalls in kleinere Einheiten aufgeteilt haben. Die andere Theorie meint: Weil Korporationen immer wieder Land dazukauften, wurde dessen Verwaltung immer komplizierter, und da man die Nutzungsregelungen unkompliziert halten wollte, teilte man die Korporationen in kleinere Einheiten. Manchmal waren auch einfach Streitigkeiten der Grund.

Mit dem zunehmenden Einfluss kommen auch politische Rechte dazu, weshalb sich zwei Korporationsarten herausbilden: die politischen und ökonomischen Korporationen: Die Mitglieder der politischen Korporation sind zum Beispiel für die Landratswahlen zuständig, diejenigen der ökonomischen Korporation haben die Nutzungsrechte. Oft sind Bauern in beiden Korporationen Mitglied, in Hergiswil sind beide Genossenschaften sogar deckungsgleich. 

Ab 1500
Die Bevölkerung wächst, die Landressourcen werden knapper. Korporationen beginnen, sich gegenüber Neuzuzügern abzugrenzen, auch gegenüber jenen aus anderen Nidwaldner Gemeinden: Neuzuzüger müssen sich Nutzungsrechte und Stimmrechte teuer erkaufen. 1600 kostet das in Stans 450 Gulden, was einem kleinen Vermögen gleichkommt.

1641 beschliesst die Genossenkorporation Stans, dass nur die alteingesessenen Genossenschafter Stimm- und Wahlrecht haben. Andere Korporationen beschliessen das ebenfalls.

1695 beschliesst die Genossenkorporation Stans, dass keine neuen Genossenschafter aufgenommen werden dürfen. Von da an gibt es eine Trennung zwischen den Genossenschaftern und den «Dorfleuten» (Beisässe). Letztere dürfen sich weder zu Dorf-Vorstehern noch zu Landräten wählen lassen. Somit werden die Korporationen zur «alleinherrschenden Klasse» in den Gemeinden und im Kanton.

 Die Helvetik, 1798–1803
Napoleon erobert die Schweiz und bricht die Herrschaft der Korporationen: Er vereinheitlicht mit der sogenannten Kodifikation die lokalen Gesetzeswerke und bestimmt in der neuen Verfassung, dass alle Bürger die gleichen politischen Rechte und Pflichten haben.

1814
Die Rechtsgleichheit ist nicht nach dem Gusto der Korporationen. Die Nidwaldner Korporationen beschliessen in einer ausserordentlichen Versammlung in der Stanser Kirche, dass die alte Rechtslage von vor 1798 wiederhergestellt wird. Es entsteht eine rechtlich unklare Situation.

1848–1850
1848 wird die Schweiz, wie wir sie heute kennen, gegründet: Aus dem Staatenbund wird ein Bundesstaat – mit rechtlich garantierter Gleichheit der Bürger und Niederlassungsfreiheit.

1850 tritt die neue Kantonsverfassung in Kraft: Aus den politischen Korporationen werden politische Gemeinden. Zusätzlich werden Schulgemeinde, Armengemeinde und Kirchgemeinde installiert. Die ökonomischen Korporationen bleiben hingegen weiterhin bestehen.

Als private Vereinigungen dürfen die ökonomischen Korporationen ihren Grund und Boden behalten und weiterexistieren. Das erklärt, warum die Korporationen bis heute Grossgrundbesitzer sind.

Mit diesem Entscheid erhalten die Korporationen technisch gesehen den Status einer privatrechtlichen Organisation.

1875
Der Bezug des Korporationsnutzens wird ganz im Sinne der Nidwaldner Korporationen neu definiert und alle bestehenden Regelungen bezogen auf Korporationsangelegenheiten  im «Gesetz betreffend die Korporationsnutzung» aufgenommen. Dieses Gesetz ist allerdings nicht umfassend, sondern eher ein Sammelsurium von Rechten und Pflichten mit Interpretationsspielraum.

1992
Korporationsrecht wird kodifiziert, also vereinheitlicht und präzisiert, auch deshalb, weil inzwischen das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Diesem kodifizierten Korporationsgesetz stimmen die Korporationsbürgerinnen und Korporationsbürger an der Korporationslandsgemeinde vom 26. April 1992 zu, womit es in Kraft tritt.

 

 

 

  

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